Das Buch

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…sehr einseitig. Es gehört zu den anerkannten Tugenden, Häuser zu bauen, deren Energieverbrauch klein ist: Gut gedämmt, sparsam zu beheizen. Das viel größere energiepolitische Thema ist kaum im Fokus: Bauen ist unter anderem wegen steigender ökologischer Ansprüche materialintensiver geworden und so liegt die Menge an verbauter Energie – so­ ge­nannter «grauer Energie» – gerade bei den als vorbildlich geltenden Bauten oft höher, als der Energieverbrauch für den Betrieb des Gebäudes während seiner ganzen Lebensdauer. Vergleicht man zusätzlich die Treibhausgasemissionen eines Gebäudes, ist es sogar in den meisten Fällen so, dass zur Erstellung eines Gebäudes viel mehr Emissionen anfallen als später im Betrieb.

Die davon abzuleitende These: Soll ein wirkungsvoller Beitrag zur Energiewende geleistet werden, ist die weitere Senkung der bereits tiefen Betriebsenergie (tiefer Energieverbrauch fürs Heizen) nicht falsch, aber wirklich wirksam ist nur die dramatische Senkung der Erstellungsenergie. Würden Gesellschaft und Politik dies wollen, müsste möglichst rasch die Einführung einer Energieetikette für einzelne Baustoffe erfolgen, denn die für die Herstellung von Baustoffen benötigte Energiemenge ist extrem unterschiedlich. Ein Beispiel: Für die Herstellung eines Quadratmeters Wärmedämmung aus Polystyrol wird gut zehnmal mehr an nicht erneuerbarer Energie verbraucht, als für die Herstellung einer gleich großen und gleich dicken Dämmung aus Zellulose.

So entscheidend es ist, als Beitrag zur Energiewende das Maß an verbauter Energie zu senken, so dezidiert vertreten die Autoren von »Das Holzhaus der Zukunft« eine Hausbauphilosophie, die weit über die rein energetische Betrachtung hinaus geht: Sie belegen am praktischen Beispiel, dass die dramatische Reduktion an verbauter Energie keinen Komfortverlust bedeutet, sondern ganz im Gegenteil mit einem Sinnlichkeitsgewinn einher geht. Dies deshalb, weil für eine günstige Gesamtenergiebilanz der Einsatz natürlicher Materialien erforderlich ist und diese natürlichen Materialien nachweislich zu einem angenehmen, gesunden Wohnklima führen.

Radikal umgesetzt führt dies zu hochwertig gedämmten Häusern, die mit einem absoluten Minimum an (energieaufwendiger) Haustechnik auskommen, weil die Qualität von Wohnlichkeit und Wohnklima weitgehend durch die Wahl der richtigen Materialien sichergestellt wird: Die winddichten, aber dampfdiffusionsoffenen Außenwände aus hygroskopischen Materialien (Holz, Zellulosefaser, Schlämmputze) können Feuchtigkeit aufnehmen und auch wieder an die Raumluft abgeben. Ein als besonders gesund geltendes Raumklima mit einer relativen Luftfeuchtigkeit von rund 55 Prozent ist das dauerhafte Ergebnis – und dies eben ohne die Zuhilfenahme zusätzlicher Energie. Zugespitzt formuliert: Das Haus ist seine eigene Klimaanlage.

Damit kollidiert das von Mosimann/Lettau skizzierte, aber auch real existierende »Holzhaus der Zukunft« zwangsläufig mit Hightech-Modellen, welche die Wohnlichkeit gut gedämmter Bauten über die Zuhilfenahme zusätzlicher Haustechnik erzeugen wollen. Den prominentesten Vertreter dieses Ansatzes, das Minergie-Label, lassen die Autoren zwar als wegbereitend gelten. Sie erachten den Ansatz aber als gefangen in seinen eigenen technischen Vorgaben: Ein einzelner technologischer Ansatz werde immer mehr als Synonym fürs Energiesparen verstanden, obwohl er angesichts der umfang­reichen Haustechnik den Anteil an verbauter Energie in die Höhe treibe.

Solche Einschätzungen galten bis vor kurzem als politisch unkorrekt. Die Sichtweise, dass die Energiewende keine Vorgaben – kein Vorschreiben – von bestimmten, technischen Lösungsansätzen erträgt, setzt sich auch in der Fachwelt zunehmend durch. So erklärte der Berner Stadtbaumeister Mark Werren jüngst: »Schreiben wir heute Minergie bei allen Überbauungsordnungen fest, haben wir in ein paar Jahren vielleicht ein Problem, weil es alternative oder bessere Lösungen gibt.«

Ein wichtiger Beitrag zum »Umbauen des Bauens« dürfte schließlich der neue »SIA-Effizienzpfad Energie« sein. Mit diesem neuen Normenwerk fordert der SIA dazu auf, den Gebäudepark konsequent auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen und mit der Ressource Energie intelligent umzugehen. Sämtliche Bauwerke sollen so erneuert oder neu erstellt werden, dass dabei der Verbrauch an fossiler Energie und Emissionen von Treibhausgasen minimiert werden. Damit soll letztlich eine Baukultur geschaffen werden, die mit den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft vereinbar ist.

Die Autoren von »Das Holzhaus der Zukunft« machen freilich deutlich, dass die bauliche Energiewende nicht allein eine Frage der Materialwahl ist und nicht bloß vom intelligenten Energieeinsatz abhängt. Sie plädieren für grundsätzlich neue Beziehungsmuster zwischen Bauwilligen und Architekten sowie zwischen Bauwilligen und den ausführenden Unternehmern – für ein Bauen, das sich weniger in den Folgen des Statusdenkens verliert, für ein Bauen mit »menschlichem Maß«.

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